Das Weihnachtsfest der Tiere (es liest Fridolin vor)
Kalt ist es geworden und der Winter hatte mit aller Macht Einzug gehalten. Aber die Tiere des Waldes harrten geduldig aus. Erwarteten sie doch heute die Rückkehr der alten Eule.
Wie jedes Jahr war sie in die Stadt zu den Menschen geflogen, um diese zu studieren, von ihnen zu lernen und sie irgendwie zu verstehen. Dieses Jahr hatte sie sich den Winter ausgesucht und war damit der Einladung der Stadttauben gefolgt. Da standen nun die Tiere, zitterten und bibberten, aber die Neugierde war dennoch stärker, als alle Kälte.
Der Eichelhäher hatte die Eule als erstes erspäht und wie es halt seine Art war, krächzte er die neue Botschaft lauthals in den Wald hinein, bis es auch das letzte Lebewesen im Wald nun wusste.
Die Eule setzte sich in einen der Äste der alten Tanne, sah in die Runde und stellte zufrieden fest, dass niemand fehlte. Sie sah müde aus und hatte wohl viel erlebt… doch in ihren Augen hatte sie ein seltsames Funkeln, das hoffen ließ, dass sie auch etwas Schönes in der Welt der Menschen erlebt hatte. Alles wurde still und jeder horchte auf das, was die Eule sagen würde.
„Meine Lieben, nach so langer Zeit freue ich mich, euch alle gesund und munter wieder zu sehen. Nun, ich habe vieles gesehen, vieles erlebt und davon möchte ich euch berichten. Nicht von den unschönen Dingen. Vielmehr von etwas, was ich selbst in all den Jahren, die ich nun die Menschen besuche und studiere, nicht für möglich gehalten hätte.
Zunächst waren die Menschen wie eh und je hektisch, aggressiv, unfreundlich, streitsüchtig. Dann jedoch veränderten sie sich. Die Häuser wurden geputzt, von innen und außen, bunte Lichterketten wurden in Bäume und Sträucher gehangen, und ebenso bunte Bilder in die Fenster. Aber dem noch nicht genug. Auch die Menschen selbst änderten sich. Sie wurden ruhiger, besinnlicher. Menschen die zerstritten waren, suchten nun den Frieden. Die Menschen eilen in die Städte und suchen sich gegenseitig Geschenke aus. Sie sind hilfsbereiter und zeigen auch mal Herz und Mitleid.
Auf das alles konnte ich mir keine Erklärung geben und so befragte ich die Stadttauben. Sie erklärten mir, dass sich die Menschen auf ein Fest vorbereiten würden. Sie nennen es Weihnachten…!“
„Weihnachten?“ piepste die Maus, „das ist aber ein seltsames Wort. Was ist denn Weihnachten?“
Das die kleine Maus die Rede der Eule unterbrochen hatte, nahm die Eule ihr nicht übel, wusste sie doch darum, dass sie mitunter zu einem der neugierigsten Waldbewohnern gehörte.
Die Eule erzählte weiter. „An Weihnachten wird die Geburt unseres Herrn Jesus Christus gefeiert, er wurde als Mensch geboren und den Menschen und der Welt Frieden und Licht zu bringen.“
Alle Tiere verneigten sich kurz zu Ehren Gottes, da ihnen allen bewusst war, dass Gott nicht nur die Welt und die Menschen erschaffen hatte, sondern auch jedes einzelne Lebewesen, egal ob Insekt, Spinnentier, Reptil oder was auch immer. Jedes von ihnen ist ein Geschöpf Gottes.
„Hätte ich diese Wandlung nicht mit eigenen Augen gesehen, ich hätte es nicht glauben können. So wünschte ich nun, dass auch wir Tiere Weihnachten feiern würden, dass wir für drei Tage das Leben des anderen achten und in Frieden und Harmonie Seite an Seite verleben.“ Die Eule sah in die Runde und erwartete die ersten Reaktionen, die auch nicht lange auf sich warten ließen.
Als erstes meldete sich die Maus zu Wort. „Ehrwürdige Eule, wie stellt ihr euch das vor? Der eine ist des anderen Feind…Wie soll ich dem Bussard jemals vertrauen schenken können? Die Schlange hat Sommertags jeden Tag auf uns Jagd gemacht? Und jetzt sollen wir Mäuse Seite an Seite mit ihr verweilen?“
Die Schlange schlängelte sich etwas nach vorne: „Alberne Mausssss“, zischelte sie, „wie viele Käfer haben wir denn diesssssessssss Jahr sssschon verspeisssssst?“
Die Ente quakte dazwischen: „Das böse Wiesel hat unsere Nester geplündert, der Fuchs hat unsere Küken gejagt, die Wildkatze ebenso…!
„Schluss jetzt!!!!“ rief die Eule energisch! „es war ja nur ein Gedanke von mir. Mir ist auch klar, dass der eine des anderen Todfeind ist und der andere des einen Nahrung…!“ „Wartet“, mischte sich der Fuchs ein, „ich finde den Gedanken der Eule gar nicht mal so schlecht oder unmöglich…! Wenn der Mensch es fertig bringt für drei Tage lang miteinander Frieden zu halten, obgleich kein Lebewesen mehr Unheil und Vernichtung mit sich bringt, als der Mensch, so sollten wir Tiere doch erst recht dazu in der Lage sein. Wir sind doch viel schlauer als die Menschen…!“
Sie alle mussten dem Fuchs Recht geben. Nach kurzem Überlegen schlossen die Tiere des Waldes einen Pakt. Für drei Tage sollte Frieden herrschen.
Sogleich begann die Eule die Aufgaben zu verteilen. Die Hirsche begannen den Platz um die Uralte Tanne von Geäst und Blättern zu befreien. Die Hasen und Kaninchen sammelten das Kleinzeug auf. Die Igel machten sich auf und sammelten Nüsse und Äpfel auf und den einen oder anderen Tannenzapfen nahmen sie auch mit.
Die Webervögel begannen ketten aus Gräsern zu flechten und andere machten Aufhänger für den Schmuck, der in die Äste der Tanne gehängt werden sollte. Diese Aufgabe erledigten die Krähen und Raben. Der Eichelhäher hingegen übernahm lediglich die Wache des ganzen Geschehens und krächzte ab und an ein lautes: „Alles in Ordnung“ in den Wald hinaus.
Obwohl es den Spinnen und Seidenraupen viel zu kalt war, taten auch sie ihre Aufgabe und woben viele silberne Fäden. Die uralte Tanne wurde von Stunde zu Stunde prächtiger in ihrem Schmuck. Auch die Eule war nicht untätig. Sie hatte sich mit der Nachtigall, den Rotkehlchen, den Staren und den Amseln zusammengesetzt und studierte mit ihnen einige Weihnachtslieder ein.
So wurden die Tage bis Weihnachten fleißig gearbeitet. Und schließlich war es soweit. Der Heilige Abend war da.
Es wurde immer dunkler und dunkler und leider war bald nichts mehr von der Pracht des Baumes zu sehen. Die alte Eule war etwas traurig, denn elektrisches Licht, wie die Menschen hatten sie natürlich nicht. Aber noch hatte die alte Eule keine Ahnung davon, dass die anderen Tiere für sie eine Überraschung vorbereitet hatten. Es war mittlerweile ganz dunkel geworden. Alle Tiere hatten sich nun versammelt. Es wurde so still, dass man eine Tannennadel herunterfallen hören konnte. Ganz plötzlich erfüllte die Luft ein Sirren. Und mit einem Male leuchtete es überall in der alten Tanne. Tausende von kleinen Glühwürmchen leuchteten nun um die Wette. Die Füchse und Wölfe hatten sie die ganze Zeit in ihrem warmen Pelz umher getragen, damit sie nicht erfrieren mussten. Aber sie bestanden darauf, auch ihre Aufgabe für das Weihnachtsfest zu erfüllen.
Die Nachtigall flog hinauf in die Spitze der alten Tanne und stimmte das Lied ein, welches die Eule so bewegt hatte. „Stille Nacht, Heilige Nacht“. Als der Chor mit einsetzte wusste es die Eule…das war Weihnachten.
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